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Filmkritik
Rosa (Ariane Ascaride) ist das Getriebe, mit dem das Leben im pittoresken, wenn auch ziemlich heruntergekommenen Zentrum von Marseille am Laufen gehalten wird. Tagsüber arbeitet die Fast-Rentnerin als Pflegerin in einem überlasteten Krankenhaus, nachts bereitet sie sich mit ihren Kollegen von der Grünen Partei für die anstehende Kommunalwahl vor. Und wenn sie mal Freizeit hat, kocht sie für ihre Großfamilie Spaghetti Puttanesca. Erst wenn die Gäste wieder weg sind und die Köchin mit dem Abwasch beschäftigt ist, stöhnt sie leise wegen ihrer manchmal ziemlich anstrengenden Sippschaft auf.
Diese andere Seite der scheinbar grenzenlos lebensfrohen, energiegeladenen und hilfsbereiten Hauptfigur aus „Das Fest geht weiter“ tritt überwiegend durch Rosas Voice Over hervor, mit dem sie ausspricht, was sie im Alltag oft mit ihrem ansteckenden Lächeln kaschiert. Plötzlich geht es um ihre Zweifel, ihre Erschöpfung oder auch die Tatsache, dass sie zwar ständig unter Leuten ist, sich manchmal aber trotzdem sehr allein fühlt.
Ein zweiter Frühling deutet sich an
Der Filmtitel bezieht sich unter anderem auf Rosas zweiten Frühling. Denn seitdem Henri (Jean-Pierre Darroussin), der Vater ihrer neuen Schwiegertochter Alice (Lola Naymark), aufgetaucht ist, knistert es zwischen den beiden. Zunächst ist Rosa aber noch zaghaft, weil sie Angst hat, verletzt zu werden. Auch im Umfeld der Protagonistin spielen sich kleine Alltagsdramen ab. Ihr Sohn Minas (Grégoire Leprince-Ringuet) ist bei den „Ärzten ohne Grenzen“, doch seine Frau ängstigt sich über seine brisanten Auslandseinsätze; sein Bruder Sarkis (Robinson Stévenin) bringt mit seinem Kinderwunsch die unfruchtbare Alice in Bedrängnis, und Rosas Kollegin (Alice Da Luz) will ihren Pflegerinnen-Job an den Nagel hängen, weil die harten Arbeitsumstände keinen menschenwürdigen Umgang mit den Patienten zulassen.
Doch wo in „Das Fest geht weiter“ von Robert Guédiguian Wunden aufgerissen werden, heilen sie dank eines verständnisvollen Miteinanders auch bald wieder zu. Die Figuren wissen genau, wann sie ihre persönlichen Befindlichkeiten dem Wohl der Anderen oder auch einem größeren Anliegen unterordnen müssen. Dieses Anliegen ist im Film ein dezidiert linkes Aufbegehren gegen gesellschaftliche Missstände und kapitalistische Ausbeutung. Die Handlung beginnt mit der Meldung über ein wahres Ereignis, bei dem 2022 ein marodes Haus einstürzte und mehrere Menschen unter sich begrub. Der Fall bildet den roten Faden des Films. Man spricht dort vom Versagen der Stadt und von untätigen Vermietern; doch statt dem Gegner Aufmerksamkeit zu schenken, widmet sich Guédiguian lieber dem Kampfgeist seiner Figuren.
„Das Fest geht weiter“ ist eine weitere Liebeserklärung des französischen Regisseurs an das proletarische Marseille und erneut von einem unerschütterlichen Glauben an die Wirksamkeit politischer Mobilisierung geprägt. Dank seiner sonnendurchfluteten Bilder und jeweils nur kurz eingespielten Stücken von Mozart, Schubert oder Berlioz besitzt „Das Fest geht weiter“ aber auch eine anmutige Leichtigkeit, die nur gelegentlich ins Melancholische kippt. Emotional aufgeladen wirkt die Alltäglichkeit des Films auch wegen der von Michel Petrossian komponierten Filmmusik. Seine für das sozialrealistische Setting ungewöhnlich symphonisch-ornamentale Musik, die dezent im Hintergrund läuft, unterstreicht den inneren Aufruhr der Figuren.
Eine solidarische Welt
Guédiguians Entwurf einer unermüdlich solidarischen Gesellschaft wirkt mitunter fast märchenhaft. Wenn es die Stadt nicht schafft, eine alte Schule zu sanieren, rücken eben Rosa und ihre Verbündeten mit Farbeimern und Pinseln an. Das politische Engagement zieht sich durch den gesamten Film. Die Protagonistin wurde nach Rosa Luxemburg benannt, ihr Bruder Tonio (Gérard Meylan) ist ein nostalgischer Kommunist, Alice leitet einen Chor, der die Bevölkerung aufrütteln soll, und am Ende vereinen sich alle während einer Gedenkveranstaltung für die verschütteten Opfer. Dieser Kosmos fühlt sich manchmal hermetisch abgeriegelt an, weil man sich nicht mit voneinander abweichenden politischen Meinungen auseinandersetzen muss. Passenderweise werden Rosas Parteisitzungen von internen Grabenkämpfen dominiert. Linke streiten sich hier lieber mit anderen Linken über Kleinigkeiten, anstatt sich der Welt außerhalb ihres internen Diskurses zu widmen.
Guédiguians Stärke ist es, sein manchmal etwas selbstgenügsames politisches Programm durch liebevoll gezeichnete Figuren mit all ihren Sorgen, Nöten und Freuden mit Leben zu füllen. In einer Rückblende bekommt die junge Rosa von ihrem Vater einen entscheidenden Ratschlag. Hilfsbereit und gütig solle sie sein. Dieses Ideal verkörpert Guédiguians Ehefrau Ariane Ascaride in der Hauptrolle mit bodenständiger Natürlichkeit und einer kauzig-eigenwilligen Note.
Es kommt auf den Einzelnen an
So wie sich der Filmtitel auf die Liebe im Alter bezieht, kann er aber auch politisch verstanden werden: Nicht nur das Fest, sondern auch der Kampf muss weitergehen. Während sich zwischenmenschliche Konflikte bei Guédiguian schon deshalb leicht lösen lassen, weil es dafür nur wohlmeinende Individuen braucht, sind die systemischen Widerstände deutlich hartnäckiger. „Das Fest geht weiter!“ löst das Unrecht, von dem er erzählt, nicht in sentimentalem Wohlgefallen auf, endet aber mit der Hoffnung auf Veränderung. Und die steckt natürlich wieder im Einzelnen, genauer gesagt in der quirligen Rosa.