








- Veröffentlichung04.09.2025
- RegieMichael Chaves
- ProduktionVereinigte Staaten (2025)
- Dauer135 Minuten
- GenreHorror
Cast
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Filmkritik
In den frühen 1960er-Jahren stand das Geisterjäger-Ehepaar Vera und Ed Warren noch ganz am Anfang ihrer investigativen Bemühungen. Die Gabe, Visionen zu empfangen, mit Geistern zu kommunizieren und diese zu exorzieren, ist bei Lorraine (Vera Farmiga) schon voll ausgeprägt. Ihr Ehemann Ed (Patrick Wilson) unterstützt sie trotz eines schwachen Herzens nach Kräften, die immer zahlreicheren Fälle von „Besessenheit“ auf spirituelle Weise zu „bearbeiten“. Doch als die hochschwangere „Geisterjägerin“ den Holzrahmen eines alten Spiegels berührt, entfesselt sie nicht nur den Dämon, den sie für den „Selbstmord“ eines Antiquitätenhändlers verantwortlich macht. Sie gefährdet durch diese unbedachte Berührung das Leben ihrer ganzen Familie auf Jahrzehnte hinaus.
Der Prolog von „Conjuring 4“ ist, obwohl völlig unblutig und wortlastig, hochdramatisch. Es geht um das Leben von Töchterchen Judy (Mia Tomlinson), obwohl diese noch gar nicht geboren ist. Und obwohl man aus diversen Filmen des auch Werke wie „Annabelle“ und „The Nun“ umfassenden „Conjuring“-Universums weiß, dass (noch) alles gut gehen wird, ist die Szene, in der die jungen Lorraine (Madison Lawlor) und Ed (Orion Smith) um das Leben der Neugeborenen flehen, tatsächlich herzzerreißend. Der relativ lange Prolog setzt nicht nur auf Emotionalität, sondern als Gegenpol zu den oft reißerischen Einstiegen im aktuellen Hollywood-Horrorkino überdies in einer Art Antiklimax den Ton für den Film.
Die Mächte aus dem Jenseits
„Das letzte Kapitel“, wie der vierte Teil heißt, dient dem Innehalten, Reflektieren und der Rückbesinnung. Wo Regisseur Michael Chaves in „Conjuring - Im Bann des Teufels“ noch weltliche Bösewichter in Form von Teufelsanbetern installierte, die dem Ehepaar Warren zu schaffen machen, setzt er im vierten Teil wieder auf die Mächte aus dem Jenseits – und zwar gleich mehrere. Und zwar nicht nur jene aus dem berüchtigten Spiegel aus den 1960er-Jahren, sondern auch auf solche, die einmal mehr einer unschuldigen Großfamilie in ihrem Domizil auflauern. Die Familie Smurl aus West Pittston, Pennsylvania, berichtet im Jahr 1986 von dämonenhaften Heimsuchungen in ihrem Haus und informiert zunächst Kirche und Presse. Wie in früheren „Conjuring“-Filmen beruht auch dieser Plot auf „wahren Begebenheiten“, die von den realen Warrens in ihren umfangreichen Aufzeichnungen dokumentiert wurden.
Eigentlich haben Lorraine und Ed 1986 genug vom Kampf gegen das Grauen. Eds Herz gibt seit dem in „Conjuring - Im Bann des Teufels“ thematisierten Herzinfarkt weiter Grund zur Besorgnis. Aber auch die Öffentlichkeit macht ihnen zu schaffen. So werden ihre Vorträge über das Paranormale an der Universität von den Studenten als „Ghostbusters“-Hokuspokus diffamiert. „Ja“, sagen die Warrens leicht konsterniert, „wir kennen Ivan Reitmans Geisterkomödie aus dem Kino.“ Deshalb kann selbst die Bitte ihres langjährigen priesterlichen Beistands, Pater Gordon (Steve Coulter), die Entscheidung der Warrens nicht wieder rückgängig machen, dass sie sich nicht mehr um Fälle wie die Großfamilie Smurl zu kümmern, die zunehmend körperlich unter den Poltergeistern leiden.
Tochter Judy übernimmt
Doch das Ehepaar ist nicht mehr allein. Ihre Tochter Judy ist erwachsen und hat mit Tony (Ben Hardy) einen stattlichen Verlobten. Aber es gibt auch noch die Dämonen aus dem Spiegel, die seit den 1960er-Jahren wie ein Damoklesschwert über den Warrens schweben. Steckt da noch was in Judy, die damals fast nicht lebend geboren wurde? Sie hat die Gabe ihrer Mutter geerbt und auch deren Neugier, wenn es ums Übersinnliche geht. Es ist auch Judy, die sich mit den Smurls trifft und ihre Eltern nötigt, sich noch ein (letztes) Mal in den Bann der Dämonen zu begeben.
Es geht also in „Conjuring 4 – Das letzte Kapitel“ erneut um Poltergeister. Nicht erst seit dem Erfolg der „Paranormal Activity-Reihe sind Geistererscheinungen im Kino ein beliebtes Sujet. Doch mit den Warrens hat die Geisterjagd ein Gesicht bekommen. Lorraine Warren, kongenial verkörpert von Vera Farmiga, ist als ikonische Verkörperung nicht nur das spirituelle und emotionale Zentrum, sondern als Geisterseherin gleichsam auch der Katalysator für das Genre. Mit ihr als einer Figur des öffentlichen Lebens existiert ein Bindeglied zwischen dem Hier und Jetzt und dem Jenseits. Das ist für die Wirkung der Filme enorm wichtig, die zunächst nicht einen weiteren Poltergeist ins Gefecht schicken, sondern vor allem eine menschliche Lichtgestalt. Dass Judy Warren dieses „Finale“ überdauert, indem sie in die Fußstapfen ihrer Eltern tritt, kann man angesichts der vielen Ableger des „Conjuring“-Universums nicht ausschließen.
Die Klaviatur sanften Schreckens
Der Spuk im Smurl-Haus ist hingegen nach allen Genre-Regeln für möglichst intensiven Schauder inszeniert. Die Warrens ziehen im erweiterten Kreis des bewährten Teams ins besessene Haus und analysieren die Ereignisse. Als Bindeglied zur Geisterwelt fungiert der alte Spiegel, der ausgerechnet von den Smurl-Großeltern auf dem Sperrmüll gefunden und der zweitältesten Tochter zum Geburtstag geschenkt wurde. Gekonnt spielt die Inszenierung auf der Klaviatur des sanften Schreckens, der weit wirkungsvoller ist als plumper, durch Ekel potenzierter Splatter.
In „Conjuring 4: Das letzte Kapitel“ geht es traditionell zu, was in den weniger spannenden, eher wehmütigen familiären Handlungssträngen fast ein wenig betulich wirkt. Das mag am einzigen Schwachpunkt des Films liegen, nämlich der Musik. Filmmusik ist im Horror nicht nur willkommenes Beiwerk, sondern essentiell, was man nicht nur an ikonischen Beispielen wie „Der Exorzist“ oder „Das Omen“ nachfühlen kann. Schon in „Conjuring 3: Im Bann des Teufels“ verriet Regisseur Michael Chaves kein Händchen für den richtigen Musikeinsatz. Das wird im vierten Teil noch verstärkt, weil Komponist Benjamin Wallfisch weit weniger glücklich agiert als der „Conjuring“-Hauskomponist Joseph Bishara. Die uninteressante Vertonung raubt viel vom bedrohlichen Zauber der Reihe. Dennoch obsiegt der Stoff über die handwerklichen Schwächen. Wenn im Abspann die Originalaufzeichnungen der Warrens die „wahre Geschichte“ des Falles ins Gedächtnis rufen, mischt sich unter die Wehmut auch ein wenig Gänsehaut.
Wer mehr über den Verbleib des alten „Spiegel des Grauens“ wissen will, der muss warten, bis die letzten Credits über die Leinwand gehuscht sind.