







- RegieReto Caduff
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer89 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 6
Vorstellungen







Filmkritik
Mitte der 1980er-Jahre ist Martina Weith, die Sängerin und Saxofonistin der Düsseldorfer Frauen-Punkband „Östro 430“ zu Gast in der Michael-Braun-Talkshow. Damenkapelle, Weiberband, Emanzenband sind die Etiketten, die der lederjackentragende Moderator aufs Tapet bringt. Eigentlich habe er ja die ganze Band einladen wollen, aber als er das Foto der Frauen in der „Bravo“ sah, habe er als „armer Softie“ doch Angst bekommen. Doch die ironisch gemeinten Zuschreibungen prallen an Weith ab. Sie habe einfach immer gemacht, worauf sie Lust habe.
Einfach machen. Nicht labern
Dass sich Frauen für etwas erklären mussten, das Männer ganz selbstverständlich taten, nämlich auf einer Bühne zu stehen und Musik zu machen, wird in dem Punk-Musikerinnen-Porträt von Reto Caduff immer wieder angesprochen. Etwa von Gudrun Gut, der Schlagzeugerin der Frauenbands „Mania D“ und später (auch als Sängerin) „Malaria!“. Die Musikerinnen der Schweizer Band „Kleenex“ beschlossen irgendwann entnervt, grundsätzlich keine Fragen mehr zu ihrem Geschlecht zu beantworten.
Rechtfertigungsdruck herrschte aber auch in den eigenen Kreisen. Madlaina Peer, die mit der ehemaligen Sängerin und Bassistin von „Kleenex“ (später „LiLiPUT“) Klaudia Schifferle und Sara Schär (TNT) im Jahr 2018 die Band „OneTwoThree“ gründete, spricht es offen aus: „Die Punk-Bewegung war nicht feministisch geprägt, im Gegenteil: Sie war sehr machistisch.“ Der strukturelle Sexismus steht in „Einfach machen! She-Punks von 1977 bis heute“ jedoch nicht im Zentrum. Der Film ist vor allem eine Feier der Pionierinnen des deutschsprachigen Punks: von Frauen, die sich den Raum nahmen und ohne musikalisches Know-how zu Gitarre, Schlagzeug und Mikrofon griffen. Oder wie es Martina Weith geradeaus sagt: „Machen. Nicht labern. Machen.“
Über die USA und Großbritannien erreicht die Punk-Bewegung Ende der 1970er-Jahre auch die Bundesrepublik; die DDR wird im Film komplett ausgeblendet. Düsseldorf (Östro 430), West-Berlin (Mania D., Malaria!) und Zürich (Kleenex) werden zu Zentren des She-Punks. Gudrun Gut entflieht den geputzten Bürgersteigen in Niedersachsen und geht ins „laute, dreckige, wunderbare und sehr graue“ Berlin. Mit Bettina Köster zusammen betreibt sie ab 1978 das „Eisengrau“ in der Goltzstraße in Berlin-Schöneberg; ein Ladengeschäft, das Kassetten und Fanzines zum Kauf anbietet und sich schnell zum sozialen Treffpunkt entwickelt. Während in Düsseldorf der Ratinger Hof zum Szenetreffpunkt der Underground-Kultur avanciert und „Östro 430“ dort ihr erstes Konzert geben, hat sich in Zürich bereits – „us Fun“ – die Band Kleenex gegründet. Schon mit dem Namen bekennt sie sich zum Alltäglichen, Wegwerfbaren, Verbrauchten. Alles musste zerschnitten und zerschlissen sein, erinnert sich die TNT-Sängerin Sara Schär, die damals 14-jährig „Züri brännt“ ins Mikrofon schrie, eine Zeile, die zum zentralen Slogan der militanten Zürcher Jugendbewegung von 1980 wird. Im Film ploppen historische Hintergründe wie die sogenannten Jugendunruhen in der Schweiz, die Frauenbewegung und ihre Proteste gegen das Abtreibungsverbot 1971 und später die Anti-Atombewegung eher als Schlagwörter auf.
Mit der Ästhetik des Punks
Mit dem dynamischen Zusammenspiel von Fotos, Bandmitschnitten, Clips aus Fernsehauftritten, historischem Archivmaterial und Interviews folgt der Film ganz den Konventionen der Musikdokumentation. Formal schmiegt er sich an die Ästhetik der Punk-Bewegung an: Archivbilder werden in schneller Abfolge aneinander montiert, Schrift zeichnet sich ins Bild, alles ist betont „rough“. Musikalische Vorbilder, die es mit Frauenbands wie The Slits, The Raincoats oder Siouxsie Sioux durchaus gab, werden nicht angesprochen, ebenso wenig die idiosynkratischen Texte, in denen auf Rollenklischees und spießige Rituale angespielt, aber auch Nonsense besungen wurde. Caduffs Interesse gilt mehr dem reinen Machen – auch in der Gegenwart. In verschiedener Besetzung haben sich die Musikerinnen von damals zu neuen Bands und Projekten zusammengeschlossen. Der Film begleitet sie in Probenräume, auf Konzertbühnen und Backstage. Es sei für sie auch eine wichtige Botschaft, als Frau, die nicht mehr „so hübsch und nett“ sei, auf einer Bühne zu stehen, sagt die mittlerweile 70-jährige Klaudia Schifferle, die wie ihre Bandkolleginnen durch Gelassenheit beeindruckt. Und stellt mit einer gewissen Erleichterung stellt, dass sie sich heute ihren Platz nicht mehr erkämpfen müsse.