









- Veröffentlichung11.11.1999
- RegieDavid Fincher
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Dauer139 Minuten
- GenreDrama
- IMDb Rating8.8/10 (1709446) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Mit künstlich zurückgehaltenen Informationen ist es so eine Sache. Was man einem Stanley Kubrick gern nachsah, wirkt bei anderen Regisseuren wie eine Marotte, bestenfalls wie ein oberflächlicher Werbegag. In Hollywood freilich scheint die Lancierung von Gerüchten und Heimlichkeiten im Vorfeld von Filmstarts inzwischen zum festen Bestandteil der PR-Konzeption zu werden. Nach dem Schweigegelübde vor der Premiere von „Eyes Wide Shut“ (fd 33 836), nach dem Internet-Hype von „The Blair Witch Project“ und dem Verschweigen des Endes von „The Sixth Sense“ gibt es nun auch Brimborium um David Finchers „Fight Club“. Hier verlegte man sich nämlich darauf, in sämtlichen Ankündigungen auf Inhaltsangaben zum Film zu verzichten. Allerdings stellt sich die Frage, was das für einen Sinn haben soll, wo doch die Romanvorlage seit Jahren im Handel ist und sich auch im Internet jede Menge Hintergrundmaterial findet (http:/ www.fightclub.com). Die ominöse Verschwiegenheit korrespondiert zwar teilweise mit dem Inhalt des Films, wirkt aber aufgesetzt. Da man sich an dieser Geheimniskrämerei nicht beteiligen muss, Folgendes im Schnelldurchlauf: Der Ich-Erzähler lebt den tristen Alltag eines Büroangestellten; seine Frustrationen versucht er, in zahlreichen Therapie- und Selbsthilfegruppen zu kompensieren. Als er bei der Rückkehr von einer Dienstreise sein Appartement in Flammen aufgehen sieht, ist er unerwartet obdachlos und nimmt Kontakt zu einem etwa gleichaltrigen Mann auf, den er wenige Stunden zuvor im Flugzeug kennen lernte. Dieser sinistre Handelsvertreter namens Tyler Durden lebt in einer heruntergekommenen, an die Schauplätze früher Wes-Craven-Filme erinnernden Villa. Zwischen den beiden entwickelt sich eine bizarre Beziehung: Mittels brachialer Faustkämpfe setzen sie Adrenalinschübe frei, die ihnen sehr spezielle Rauschzustände verschaffen.
Das Beispiel macht Schule. Schon bald scharen sich weitere Männer mit ähnlichen Leidenschaften um das Paar – die Geburtsstunde des „Fight Club“. Das einsam stehende Haus wird zur Heimstatt eines Männerordens, dessen erstes Gebot lautet: „You do not talk about Fight Club!“. Verstreut über sämtliche Bundesstaaten sprießen Dependenzen des Vereins aus dem Boden, der rasch die Form einer Privatarmee annimmt. Unter Durdens Führung beginnen erste Anschläge gegen Geldinstitute und andere Statussymbole des „freien Unternehmertums“. Wie in Trance registriert der Erzähler das Geschehen, nimmt bisweilen passiv teil, zeigt sich teilweise entsetzt. Als er die ganze Dimension der Verschwörung erkennt, zieht er die Notbremse. Parallel zu seinen Versuchen, den terroristischen Flächenbrand einzudämmen, vollzieht sich die lähmende Erkenntnis, dass sich zwischen ihm und seinem Gegenspieler Durden die Grenzen verwischen, mehr noch: dass er und Durden ein und die dieselbe Person verkörpern.
„Fight Club“ ist ein sehr merkwürdiger Film. In seinen stärksten Momenten setzt er eine obsessive Energie frei, wie man sie in Hollywood-Filmen nur selten zu spüren bekommt. Auffällig ist, dass sich die Gewaltakte der Gruppe zunächst nur nach innen richten (die selbstzerstörerischen Männlichkeitsrituale sind visuell kaum zu ertragen). Später, als die schwarzgewandeten Jünger hinaus in die Welt ziehen, gelten die Anschläge vorrangig Dingen, nicht Menschen. Das eigentliche Ziel bleibt im Dunkel. Mitunter scheint es, als sei „Fight Club“ eine Art Prequel des Klassikers „Assault – Anschlag bei Nacht“ (fd 21 142). Doch anders als bei John Carpenter, bei dem die Desperados zielgerichtet auf Vertreter der Staatsmacht einschlagen und sie vernichten, mutet der allgemeine Bürgerkrieg bei Fincher eher wie der verzweifelte Wunsch nach Kommunikation an. Viele historische und ästhetische Assoziationen werden freigesetzt: von Robert Heinleins Roman „A Stranger in a Strange World“ über Charles Mansons reales Treiben oder dem faschistischen Anschlag in Oklahoma vor einigen Jahren, bei dem viele Menschen getötet wurden, bis zu Cronenbergs Ballard-Verfilmung „Crash“ (fd 32 192).
Zuvorderst ist „Fight Club“ – bei aller modernistischen Attitüde – eine Variante des Dr. Jekyll-und-Mr. Hyde-Themas. Stevenson formulierte in seinem klassischen fantastischen Roman exemplarisch die Entfremdung des Menschen in der von ihm geschaffenen Moderne – und genau dies tut auch Fincher. Mit viel Aufwand versucht er, diesen „alten Hut“ zu kaschieren, wobei er die Geschichte gelegentlich auch aus den Augen verliert. Grandiose Bildeinfälle gibt es in Fülle, doch entwickeln sie keine rechte Funktionalität und bleiben im Effekthaften stecken. So setzt eine lange Endoskop-Fahrt bzw. deren digitale Simulation in den ersten Minuten starke formale Akzente, ohne dass sich das Makrostrukturelle später zur Metapher verdichten würde. Fincher packt viel in seinen vierten Spielfilm hinein, der in der Nervosität seines Alles-auf-einmal-Erzählens fast wie ein Erstlingswerk anmutet. Dass der dämonische Tyler Durden nebenbei auch noch als Filmvorführer arbeitet und sich einen Spaß daraus macht, in Unterhaltungsfilme „für die ganze Familie“ winzige Sequenzen aus Horror- oder Pornofilmen einzumontieren, muss als unmittelbare Reflexion auf das Filmemachen verstanden werden. An anderer Stelle baut Fincher selbst derartige Einzelbilder in seine Film ein, Bilder, die für eine 24stel-Sekunde aufblitzen und eigentlich nicht wahrgenommen werden – im Unterbewusstsein jedoch weiterwirken. „Fight Club“ hätte ein subversiver Film werden können, wenn der Wille zur Subversion nicht allenthalben spürbar wäre. In der vorliegenden Form verrät der Film den dringenden Wunsch, eine Synthese aus groß angelegter Westküsten-Produktion und dem europäischen Autorenkino herbeizuführen, um damit etwas Drittes, völlig Neues zu schaffen. Ein trotz seines Scheiterns achtbares Unterfangen.