Cast
Vorstellungen










Filmkritik
Wenn die US-amerikanische Schauspielerin Margaret Qualley eines beherrscht, dann ist es der unbeeindruckte Blick. Egal wie riskant die Lage ist: Qualley schaut nur mäßig irritiert drein. Was unter Umständen damit zusammenhängt, dass ihr Gesichtsausdruck sowieso ziemlich skeptisch ist – so skeptisch, dass jede Frau, die ihr begegnet, sofort ein zweites Mal in dieses Gesicht schaut. Manchmal erntet sie dann ein amüsiertes Lächeln; in dem Road-Movie „Drive-Away Dolls“ hatte Qualley das noch häufiger parat.
„Drive-Away Dolls“ war Qualleys erster Film unter der Regie von Ethan Coen. Sie spielte eine lesbische Abenteurerin, die mit fremden Verbrechen an ein bisschen Geld kommen will. In „Honey Don’t!“, ebenfalls von Ethan Coen, ist sie als lesbische Privatdetektivin, die Untaten aufdeckt und damit Geld verdient, eine deutlich erwachsenere Figur. Das Drehbuch zu beiden Filmen stammt von Ethan Coen und seiner Frau Tricia Cooke, die sich mit einer queeren B-Movie-Trilogie dem Genrefilm annähern wollen.
Im Korsett des Neo-Noir-Krimis
In dieser zweiten Geschichte wirkt alles auch deshalb seriöser, weil sie sich stilistisch dem engen Korsett des Neo-Noir-Krimis unterwirft. Die Kamera folgt Qualley oft von hinten und schwenkt von unten nach oben über Pumps, Nylons, geschlitzte Kleider; es wird eine Mischung aus Femme fatale und einem Profi der Verbrechensbekämpfung präsentiert. Die kluge, sehr sexy auftretende Detektivin ist der schlampigen Polizei sowohl stilistisch wie auch in der Ermittlung weit voraus. Sie trägt den Vornamen Honey, der immer eine Liebkosung ist, und sie widmet sich jüngst dem Fall einer womöglich unfreiwillig verunglückten Autofahrerin.
Sofern sie dafür gerade den Kopf frei hat, denn in „Honey Don’t!“ wird viel Zeit mit Sex verbracht. Honey hat Sex, aber auch der Priester Drew Devlin (Chris Evans) hat viel Sex, und es ist ziemlich lehrreich, wie unterschiedlich Sex inszeniert werden kann. Der Priester ist das Oberhaupt einer von ihm selbst erfundenen Kirche, der in seinen Ansprachen die Leidenschaft US-amerikanischer Fernsehprediger zu überbieten versucht. Er ruft seine Jünger zur Unterwerfung auf, damit sie ihm vom Drogenverkauf bis zum Beischlaf willig zur Verfügung stehen.
Von lüstern bis lustig
Beide Absichten verbirgt Devlin weder vor seiner Gemeinde noch vor der Kamera, was zu allerlei unromantischen Bildern führt, in denen Geschäft, Gewalt und Geilheit kollidieren. Honey hingegen stößt zwar auch im Job auf eine neue Freundin und hat auch Sex im öffentlichen Raum, doch das wirkt nie so lüstern wie beim Priester, eher lustig. Man erkennt bei Honey ein tatsächliches Interesse an der anderen Person, eine Kommunikation, während der Priester Sex eher als einen Einkauf versteht, mit dem er die Opfer zu seinem Eigentum macht, und genauso schäbig stellt der Film das dar.
Die Lust am Neo-Noir macht „Honey Don’t!“ sehr kurzweilig, denn die Inszenierung spart nicht an knalligen Dialogen und auch nicht an großartigen Frauenfiguren. Honey und der Priester liefern sich ein brillantes Duell aus One-Linern, die sie beide perfekt beherrschen. Wenn Honey die Familie der toten Autofahrerin besucht, muss sie zwar mit wenig Text auskommen. Dafür aber gehört der Anblick von Kinna McInroe als resignierter Mutter zu den besten Momenten des Films.
Auch eine französische Gangsterin namens Cher (Lera Abova) ist mit im Spiel; mit ihr tauscht Honey bloß noch den Namen aus, den Rest erledigen sie über Blicke. Sogar die Fahrzeuge der beiden flirten miteinander, auf deren Schönheit Coen ebenfalls Wert legt: Honey hat ein Cabrio, Cher eine Vespa. Altmodische Busse fahren so verträumt durch Bakersfield, eine kalifornische Öl-Stadt, als würden sie eine Passage ins Jenseits anbieten.
Von einer Sackgasse in die nächste
In dieser Art der Kurzweil liegt das Vergnügen von „Honey Don’t!“, im Humor, im Stil, in den Genrereferenzen. Was auf der Strecke bleibt, ist die Geschichte, die von einer Sackgasse in die nächste schlingert. Ethan Coen versucht sich an der Kunst des Serendipity, also am Zusammentreffen von Zufällen, die alle Beteiligten stets in ein neues Licht setzen oder ihre Situation überraschend verändern. Das klappt zwar, und die Idee ist auch sympathisch, aber überzeugend sind die Richtungswechsel selten.
Immerhin bringt Coen einen Kommentar zum trostlosen Zustand der USA unter, egal ob durch die Ruchlosigkeit der Männer oder die täglichen Schwierigkeiten aufsässiger Frauen oder durch den Handlungsort Bakersfield, der vor Augen führt, wie lange der Kampf gegen Gleichgültigkeit und Verfall dort schon aufgegeben wurde. Carter Burwell hat die Musik dazu komponiert. Blutige Gewalt liefert ein paar Schreckmomente, was für einen flüchtigen B-Movie-Spaß reicht – und mehr hat Ethan Coen nie versprochen.