









Vorstellungen










Filmkritik
Männer, die sich den an sie gerichteten Rollenbildern jenseits Familiengründung und beruflicher Karriere entziehen, geisterten früher vor allem durchs Agentengenre oder das literarische Werk einer Patricia Highsmith, die in „Der talentierte Mr. Ripley“ am Mittelmeer einen müßiggängerischen Millionärssohn einem vor Neid zergehenden Hochstapler zum Opfer fallen ließ. Heute taugt diese hedonistische Spezies immerhin noch zu einem charmanten Antihelden in einem vermeintlichen Krimi, der im Fall von „Islands“ nur als Staffage für eine psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung dient.
Sex & Wodka, all inclusive
Sam Riley spielt einen notorisch verkaterten britischen Endvierziger, bei dem die exzessive Existenz im subtropischen Sonnenparadies körperliche Spuren wie Augenringe, Dreitagebart und eine ungesunde Magerkeit hinterlassen hat. Der auf Fuerteventura gestrandete Tennislehrer, der mal als Profi an Wettkämpfen teilgenommen hatte, unterrichtet zwischen Technoclub-Besuchen, One-Night-Stands, Kokain und Wodka Urlauber in All-inclusive-Hotelanlagen, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Regisseur Jan-Ole Gerster inszeniert diesen Tom in seinem dritten Film nach „Oh Boy!“ über einen jugendlichen Taugenichts und „Lara“ über eine die Konventionen sprengende Anti-Mutter als ewigen Jüngling ohne Verpflichtungen, der noch auf der Suche nach dem Ausgang aus der höllisch monotonen Partyzone ist.
Als eine reiche mysteriöse Kundin (Stacy Martin) wie in einem Film-noir-Plot bei ihm Tennisstunden für ihren achtjährigen Sohn bestellt, glaubt er sie von früher vage zu kennen. Er ist zwar ausgebucht, sagt aus erotischer Neugier aber zu. Dazu gehört auch, dass er sich auf Ausflüge mit Anne und ihrem beruflich gescheiterten, aggressiv-trotteligen Mann Dave (Jack Farthing) einlässt, ihnen die Insel zeigt und aus nächster Nähe deren Ehekonflikte erlebt. Dann verschwindet der Gatte nach einer durchzechten Nacht. Nachdem sein Hemd und seine Brieftasche auf den Felsen oberhalb eines für seine tückischen Strömungen bekannten Meeresabschnitts gefunden wurden, übernimmt die Polizei die Ermittlungen. Das bereitet auch Toms ereignislosem Dahingleiten ein Ende, zumal die zunehmend zwielichtig erscheinende Anne den Anschein erweckt, als sei Tom der leibliche Vater ihres Sohns. Eine Zumutung für den planlosen Berufsjugendlichen, da ihm die neuen Konstellationen doch sinnstiftende Entscheidungen abverlangen, in die er nach ausgiebigen Recherchen erst hineinwachsen muss.
Fährten, die ins Leere laufen
Jan-Ole Gerster genießt es, das Geschehen seines „Vacance Noir“, wie er selbst den Film als Subgenre einordnet, durch ins Leere laufende Fährten im Ungefähren zu halten, sowohl den Kriminalfall wie auch die sich anbahnende Liebesgeschichte. Genreerwartungen werden angedeutet, aber nur selten erfüllt. Umso mehr überrascht, wenn eine Nebenhandlung prophetische Züge annimmt, wie etwa das Kamel, das immer wieder aus der Farm von Toms Freunden Raik und Amina entkommt. Die beiden verkaufen die Farm schließlich und ziehen nach Marokko zurück.
Für die vielen Irreführungen wird man durch das atmosphärisch-insulare Setting entschädigt. Kameramann Juan Sarmiento G. schwelgt in überwältigenden Breitwandbildern, fokussiert auf die urzeitlich majestätischen Vulkanlandschaften, die hell leuchtenden Strände, die flirrende Wüste und das unruhig tosende Meer. Durch diese magische Kulisse irrlichtert das Trio aus Anne, Tom und Dave ohne Sensorium für die verschlossene Gefühlswelt der anderen. Die abgründig spannungsgeladenen Kompositionen von Dascha Dauenhauer erinnern an Hitchcock, ohne als Fremdkörper zu wirken. Das ist erstaunlich, denn Tom, von Sam Riley in allen Nuancen meisterlich gespielt, ist eine sehr jetzige, melancholische Figur, die ihre Möglichkeiten nicht genutzt und die Flucht in die Resignation und Selbstzerstörung ergriffen hat. Am Ende seiner fesselnden Ausbruchreise in die reale Welt hat man fast vergessen, dass man lange glaubte, einen ganz anderen Film zu sehen.