





Vorstellungen










Filmkritik
Lev (Finn Vogels) ist ziemlich genervt von seinen Eltern. Sein Vater schreckt vor jedem Risiko zurück, seine Mutter ist einerseits perfektionistisch, hat andererseits aber keine Hemmungen, ihm vor dem Eingang zur Schule mit Spucke einen Fleck aus dem Gesicht zu wischen. Ekliger ist eigentlich nur noch Schnodder-Man, der seine Untaten mit hingerotztem Nasensekret begeht. Gegen die Kräfte des in ein Schleimkleid gehüllten Wesens kann nur der Superheld Healix etwas ausrichten. Mit seinem leuchtenden Finger kann er sogar Krankheiten heilen! In Levs Fantasie sind diese beiden Wesen höchst lebendig, und Healix steht durchaus öfter neben ihm.
Eine echte Begegnung mit Healix ist angesichts seiner hypervorsichtigen Eltern allerdings nahezu ausgeschlossen, obwohl es auf der Comic Con dazu eine Gelegenheit gäbe, falls Lev am Kostümwettbewerb teilnehmen würde. Aber das würden seine Eltern niemals erlauben. Da kommt Levs Großmutter (Joke Tjalsma) gerade recht, die so ganz anders ist als seine Eltern. Mit ihrem Motorrad inklusive Beiwagen saust sie durch die Gegend und sieht statt Gefahren überall Chancen! Sie kennt auch einen verrückten Erfinder, der Lev bestimmt ein großartiges Kostüm basteln würde.
Knallig-bunt & gutgelaunt
Es geht knallig-bunt und gut gelaunt los, wobei „Superkräfte mit Köpfchen“ geschickt zwischen Realität und Superheldentum wechselt, und zwischen Schule und Computerspielen. Das ist ziemlich poppig, laut und überdreht, ganz so, wie man das wohl von einem Regisseur wie Dylan Haegens erwarten würde, der in den Niederlanden vor allem als YouTube-Star bekannt ist. Doch dann schlägt der Film mit einem Mal einen radikal anderen Ton an und vollzieht eine harte 180-Grad-Wende, gewissermaßen mit schrillem Bremsquietschen, bevor er zunächst ein wenig auf der Stelle kreist, um mit ähnlicher Verve weiterzurasen. Auf einmal steckt der nahende Tod sein Haupt in die eher belanglos dahinplätschernde Komödie, und das Thema der Ängste und Gefahren anstatt der Möglichkeiten und Chancen erfährt eine nachgerade existentielle Dringlichkeit.
Solche entschlossenen Wendungen kennt man im Kinderfilm eigentlich nicht. Womöglich meinen viele, dass es sich auch nicht gehöre, weil es die Kinder verunsichere. Aber gerade deshalb ist es eine große Freude. Aus einer Fremdschäm-Komödie, die sich mit überängstlichen Eltern und dem Alltagsschrecken der Mitschülerinnen und Mitschüler beschäftigt, wird plötzlich eine recht explizite Auseinandersetzung mit der Angst vor dem größten Verlust, in der sich Emotionen ohne jede Zurückhaltung ihren Weg bahnen.
Keine Angst vor Körpersekreten
Das Drehbuch von Marit Haegens-Brugman und Wouter de Jong, von dem auch die (Ratgeber-)Buchvorlage „Dein Kopf, der Superheld“ stammt, dreht die Stimmung dennoch ins eher Positive. Es zwingt Lev zu schmerzhaften Erkenntnissen und packt dennoch den Over-the-top-Schnodderhumor noch einmal so richtig aus. Absoluter Höhepunkt des Körpersekrete-Humors ist eine Comic-Con-Angestellte im Hummerkostüm, die den vom Regisseur selbst gespielten Schnodder-Man anhimmelt: „Ich habe eine Statue von Ihnen gemacht, aus meiner eigenen Rotze!“
Bei aller ernsten Thematik ist „Superkräfte mit Köpfchen“ also kein Film der feinen Töne. Themen wie Figuren sind mit eher breitem Pinselstrich gezeichnet. Neben dem Quatsch gibt es auch reichlich Klischee. Die größte Komplexität bringt die Figur der Großmutter mit, nicht zuletzt, weil sie Schuld daran trägt, dass Lev sein Leben lang humpelt, nachdem sie ihn ermuntert hat, seine Angst zu überwinden und vom Garagendach zu springen. Nur landete Lev dabei neben statt auf dem Matratzenstapel.
Im Pupskissenkostüm
Fürchten wir das Leben mehr als den Tod? Die Frage ist nicht besonders originell, und die Antworten in „Superkräfte mit Köpfchen“ auch nicht besonders tiefschürfend oder differenziert. Der Höhepunkt, Levs Befreiungsschlag, ist zudem an Pathos kaum zu überbieten. Das aber sollte man aus dem Film zumindest mitnehmen: nie so viel Angst vor dem Leben oder dem Tod haben, dass man sich nicht traut, in einem Pupskissenkostüm auf die Bühne zu treten und braunen Rauch auszusondern.