Kekse und Popcorn für ein großartiges Kinoerlebnis

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Filmplakat von Dormitory

Dormitory

116 min | Drama
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Szenebild von Dormitory 1
Szenebild von Dormitory 2
Szenebild von Dormitory 3
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Szenebild von Dormitory 6
Gezwungen, den Komfort seines mittelständischen Lebens auf Geheiß seines Vaters zu verlassen, wird der vierzehnjährige Ahmet in ein rein männliches religiöses Internat geschickt. Dort muss er sich zwischen familiären Erwartungen, seinen religiösen Pflichten und der Kindheit, an der er so verzweifelt festhält, zurechtfinden.

Vorstellungen

Abaton Kino Hamburg
Abaton Kino Hamburg
Allende-Platz 3
20146 Hamburg
City 46 Kommunalkino Bremen e.V.
City 46 Kommunalkino Bremen e.V.
Birkenstraße 1
28195 Bremen
Lichtspiel Kino Bamberg
Lichtspiel Kino Bamberg
Untere Königstraße 34
96052 Bamberg
Kinoklub am Hirschlachufer
Kinoklub am Hirschlachufer
Hirschlachufer 1
99084 Erfurt
Cinema Münster
Cinema Münster
Warendorfer Straße 45
48145 Münster
Odeon Kino Mannheim
Odeon Kino Mannheim
G7 10
68159 Mannheim
Cinecitta
Gewerbemuseumsplatz 3
90403 Nürnberg
3001 Kino
Schanzenstraße 75
20357 Hamburg
Karlstorkino
Am Karlstor 1
69117 Heidelberg
Roxy Kino - Dortmund
Ruhrglasstraße 50
44145 Dortmund

Filmkritik

Ahmed (Doğa Karakaş) sieht aus wie ein verträumter Brit-Popper inklusive Preppy-Look, fransigem, leicht verwuscheltem Pony und einem Flaum über der Oberlippe, der gerade erst zu sprießen beginnt. Im Englischunterricht lernt er in Anzugjacke und weißem Hemd Sätze über Mandy und Ben Taylor aus London und wie man sagt, dass man gerne ins Kino geht, Horrorfilme schaut oder Popcorn isst. Kaum ist die Schule aus, schlüpft der 14-jährige Teenager in sein zweites Leben. Unbemerkt von den Klassenkameraden huscht er in das muslimische Wohnheim, stellt am Eingang die Bömmel-Schuhe ins Regal und wäscht sich. Im Gebetsraum herrscht ein anderer Ton. Zwei Jungen fangen sich wegen Fehlverhaltens eine Ohrfeige vom Hodscha ein. Anschließend müssen sie sich vor der versammelten Gruppe abwechselnd gegenseitig abwatschen.

Ein Freund und Verbündeter

„Yurt“, das Spielfilmdebüt von Nehir Tuna, spielt kurz vor einem Kipppunkt in der Geschichte der Türkei. In den ausgehenden 1990er-Jahren befindet sich der islamische Konservatismus in einer marginalen, gesellschaftlich geächteten Position. Noch vertritt der Staat mit Vehemenz und ganz im Sinne des Gründers der türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, ein säkulares Weltbild. So stehen auch die Yurten, wie sich die religiösen Ausbildungs- und Erziehungsstätten nennen und vor denen gelegentlich gegen die Scharia demonstriert wird, unter polizeilicher Beobachtung. Vor einer anstehenden Kontrolle bricht Hektik aus. Flugblätter werden verbrannt, Bücher in arabischer Schrift versteckt. In Windeseile hängen auch die Atatürk-Porträts wieder an den Wänden des Treppenhauses.

Ahmed, vom Wesen her eher überbehütet als rebellisch, wehrt sich gegen die Yurte. Er läuft weg, lässt sich vom Baum herunterfallen und bricht sich den Arm. Sein wohlhabender Vater, der den geplanten Neubau mit großzügigen Spenden finanziert, kennt keine Nachsicht und bringt ihn zurück. Als Neukonvertierter, den sein vormals sündiges Leben plagt, ist er besonders streng: „Du bist meine Erlösung, meine Rettung“, sagt der Vater zu Ahmed. Der findet erst dann ein Stück weit Geborgenheit, als er in dem gleichaltrigen Hakan (Can Bartu Aslan) einen Freund und Verbündeten findet.

Der Kampf ums Ego

Nehir Tuna entfaltet in „Yurt“ ein episches, auf zwei Mikrokosmen konzentriertes Coming-of-Age-Drama. Die kontrastreichen Schwarz-weiß-Bilder, unterlegt mit einer satten, dramatischen Filmmusik, unterstreichen das Spannungsverhältnis von säkularer und religiöser Welt. Der Fokus des Films liegt ganz auf Ahmed – im buchstäblichen Sinn. Tuna und sein Bildgestalter Florent Herry arbeiten mit geringer Tiefenschärfe, die den Protagonisten vom Umraum isoliert; oft ist er in langen Close-ups zu sehen. Zerrissen zwischen dem Wunsch, ein guter Muslim zu sein und sich von den Fesseln religiöser Gebote zu lösen, überwiegt mal das eine, mal das andere. Eine Zeit lang scheint sich Ahmed nichts sehnlicher zu wünschen als beim Gebet in den „inneren Kreis“ vorgelassen zu werden. Dafür aber müsste er erst lernen, sein Ego zu verlieren – das, wie ihm Hakan erklärt, in der Stirn sitzt und eine Ratte ist; Ahmed hingegen stellt es sich als Eichhörnchen vor. Dann wieder lässt er sich von seinem sexuellen Erwachen berauschen. Auch dieses ist richtungsoffen – und latent queer. Ahmed schwärmt für eine Klassenkameradin, aber auch gegenüber Hakan entwickeln sich Anziehungskräfte.

Die Subtilität der Hauptfigur, die sich nicht unwesentlich dem Spiel von Doğa Karakaş verdankt, trifft im Film auf eine zuweilen etwas ausgestellt wirkende Dialektik. Etwa wenn in der Montage der Schulalltag aus kollektivem Atatürk-Bekenntnis und westlichen Inhalten – immer im Englischunterricht – mit den strengen Ritualen im Yurt oder einer Tierschlachtung parallelisiert werden. Dramaturgisch entwickelt sich der Film in Richtung eines klassischen „Drill-Plots“. Das Verhältnis zum Hodscha, dem Ahmeds privilegierter Hintergrund ein Dorn im Auge ist, wird zum Machtkampf. Doch da Ahmeds „Ego-Eichhörnchen“ sich verfestigt, zieht der Prediger den Kürzeren. Mit einem fluchtartigen Aufbruch wird gegen Ende des Films auch das Schwarz-weiß verdrängt. Dann dominieren Farbe, Bewegung, Raum und die Verwirrung der Gefühle.

Veröffentlicht auf filmdienst.deDormitoryVon: Esther Buss (10.6.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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